Ananasleder als Leder-Alternative - Nafilia Interview

Ananasleder als Leder-Alternative - Nafilia Interview

Ananasleder als Leder-Alternative - Ein Interview mit Nafilia

Sättel, Trensen und Reitstiefel und manchmal sogar auch Halfter und Handschuhe - alles wird aus Leder hergestellt. Wir als Reiterinnen und Reiter haben besonders viele Lederprodukte! Es wird also allerhöchste Zeit, dass für diese Produkte vegane Alternativen gefunden werden. 

Das Start-up Nafilia hat sich der Aufgabe angenommen und produziert Halfter aus veganem Leder. Ein super spannendes Thema über welches wir mit der Gründerin Caro ein Interview geführt haben:

Hi Caro, erstmal nochmal Glückwunsch nachträglich zu dem Launch deiner Marke! Magst du uns vielleicht direkt mal erzählen wie es zu der Idee zu Nafilia kam? 

Hallo, Ja sehr gerne und vielen Dank für euer Interesse. 

Eigentlich war die Gründung von Nafilia ein Zufall. 2 Stuten kamen neugierig auf mich zu, als ich Beeren für Marmelade gepflückt habe. Damals standen sie noch auf einer Weide in Frankreich mit ca. 30 anderen ausrangierten Rennpferden. Ich habe mich sofort in die zwei verliebt und wusste, dass ich sie zeitnah zu mir nach Berlin holen würde. Umgehend überlegte und recherchierte ich, was ich an Equipment benötige. Seit einigen Jahren lebe ich aus ethischen Gründen vegan und ressourcenschonend. Somit waren Produkte aus Leder oder Biotane keine Alternativen für mich. Einige Monate zuvor kaufte ich meine ersten Schuhe aus Ananasleder. Mit diesem Material war ich sehr zufrieden, sodass ich auf die Idee kam, diese natürlichen Materialien auch als Zubehör für den Reitsport anzuwenden.  

Warum ist es aus deiner Sicht so wichtig, dass zukünftig auf Echtleder verzichtet wird und stattdessen veganes Leder wie Ananasleder genutzt wird? Wie sind zum Beispiel die Umstände in der Lederindustrie? 

Das ist eine sehr gute und essenziell wichtige Frage, denn es gibt noch sehr viel Aufklärungsbedarf, was die Nutzung von Leder betrifft. Aus meiner Sicht, spielen 2 wichtige Faktoren mit, die gegen die Verwendung von Echtleder sind. Zum einen der Tierschutz und zum anderen Nachhaltigkeit. 

„Leder ist nur das Nebenprodukt der Fleischindustrie“. Dieses Argument höre ich sehr häufig. Die Realität sieht dann aber doch anders aus, denn die Verwendung von Leder trägt maßgeblich zur Verbreitung von fabrikähnlichen Farmen und Schlachthöfen bei und macht sie somit noch profitabler. 80% des weltweiten Leders werden in großen Gerbereien verarbeitet, teilweise unter sehr schlimmen Arbeitsbedingungen und Tierquälerei, sowie enorme Umweltverschmutzung.  Um das mal in Zahlen etwas zu verbildlichen: Im Jahre 2014, wurden 574.200 Tonnen Rindsleder (heavy leather, es gibt auch light leather) produziert, davon stammen 120.000 aus Latein Amerika, 13.600 aus Afrika, 329.700 aus Asien (China mit 238.800), 18.400 aus Nord Amerika und 82.400 aus Europa. Deutschland hat hier nur 1.300 Tonnen dazu beigetragen. Sogar „heilige“ Kühe und Ochsen aus Indien werden illegal nach Bangladesch geschmuggelt und dort auf grausamste Art für das Leder geschlachtet bzw. gehäutet. Die grausamen Videos im Netz... sprechen dafür. 

Hinzu kommt, dass bei der Verarbeitung von Leder (Gerbung) Schadstoffe in die Atmosphäre freigesetzt werden. Chemikalien, wie Chrom III wird fast überall verwendet, um das Leder haltbar und geschmeidig zu machen. Chrom IV ist ein qualitativ schlechter Gerbstoff und kann erbgutschädigende und allergieauslösende Reaktionen auslösen. Untersuchungen des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit haben ergeben, dass dieses giftige Reaktionsprodukt nach der Gerbung weiterhin in dem Lederprodukt enthalten ist und sogar krebserregend sein kann. Auch Stiftung Warentest hat in jedem 5. Kinderschuh diese gesundheitsschädlichen Stoffe wiedergefunden. Dies sind erschreckende Faktoren und leider kommen noch viele weitere dazu. Zum Beispiel die Arbeitsbedingungen in Gerbereien außerhalb der EU. Die Arbeitnehmer, viele von ihnen minderjährig, sind diesen giftigen Schadstoffen tagtäglich ausgesetzt und erkranken oftmals sehr schwer. 

Diese Faktoren tragen dazu bei, dass ich über die veganen Alternativen sehr glücklich bin. Es sind Materialien, die dem echten Leder unglaublich ähnlich sind und nicht ansatzweise solche negativen Auswirkungen auf unsere Mitmenschen und Umwelt haben. Ich bin wirklich stolz, diese Materialien verwenden zu können, vor allem auch weil wir die ersten sind, die sie in ein ganz neues Produkt implementieren.

Wir finden die Umstellung auf veganes Leder wirklich ein super, super wichtiges Thema! Was ist eure Vision als Start-up? Was wollt ihr erreichen? 

Es ist unsere Vision, Produkte für den Reitsport herzustellen, die weder unseren Planeten noch Tiere schädigen. Das Bewusstsein für die Bedeutung von Nachhaltigkeit, Umwelt- sowie Klimaschutz der letzten Jahren, haben uns gezeigt, dass wir unsere Prioritäten überdenken sollten. In dieser Hinsicht wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen. 

Ihr bietet ja beispielsweise Halfter aus Ananasleder an. Welche anderen Materialien verwendet ihr noch?

Zusätzlich zu unserem Halfter „Dorea“, aus Ananasleder, bieten wir noch Halfter aus Kaktusleder und Weintraubenleder an. 

Gibt es schon länger veganes Leder und wie wird es hergestellt? 

Veganes Leder gibt es seit ein paar Jahren. Die Firma Ananas Anam, war eines der ersten und wurde im Jahr 2013 gegründet. Die Herstellung von diesem Material wird in 5 Schritten unterteilt: 

Schritt 1

Im Rahmen der Ananasernte werden zunächst die länglichen Blätter der Ananas-Pflanze eingesammelt (nicht der kleine Strunk / Stiel der Ananas, sondern die langen halbrunden Blätter der Pflanze). Die Blätter stammen von Pflanzen auf den Philippinen.

Schritt 2

Mithilfe von Maschinen werden die Fasern der Blätter noch auf dem Feld extrahiert bzw. herausgelöst. Bei diesem Prozess fällt nicht verwendbare Biomasse an. Diese kann als natürlicher Dünger oder Biokraftstoff eingesetzt werden.

Schritt 3

Anschließend werden die Fasern gewaschen und getrocknet (entweder durch die Sonne oder während der Regenzeit in Öfen ). Um alle Schmutzpartikel zu entfernen, werden die getrockneten Fasern noch einmal gereinigt.

Schritt 4

Aus diesen getrockneten Ananasblattfasern entsteht dann in einem mechanischen Prozess mithilfe von biokompatibler Polymilchsäure eine Art Netz bzw. filzartiger Teppich (das sogenannte „Piñafelt“). Dieses Netz dient allen Piñatex-Produkten als Grundlage. Die Fasern werden also nicht gewebt.

Schritt 5

Für die Weiterverarbeitung werden die aufgerollten Netze dann von den Philippinen aus nach Italien oder Spanien verschifft. Hier wird das Piñafelt je nach Kollektion und Verwendungszweck mit GOTS-zertifizierten Farbpigmenten gefärbt und/oder für eine bessere Haltbarkeit mit Harz beschichtet.

Für die Produktion von Piñatex werden ausschließlich Blätter verwendet, die bei der Ananas-Ernte ohnehin anfallen – normalerweise werden die Blätter nach der Ernte weggeworfen oder verbrannt.

Mit jährlich über 2,7 Mio. Tonnen sind die Philippinen der weltweit zweitgrößte Ananas-Produzent. Da bleiben mehr als genug Blätter übrig, die für die Herstellung von Ananasleder verwendet werden können. Es müssen also nicht einmal neue Felder angelegt werden. 

Für das Weintraubenleder arbeitet man nicht mit Fasern aber mit den Resten der Weintraube, von der Haut bis zu den Stängeln, eben alles, was für die Weinindustrie nicht verwendet wird.

Für das Kaktusleder werden die Blätter des Nopalkaktus‘ in der Sonne getrocknet und dann zu einer Masse verarbeitet. Dieser Prozess ist rein organisch, hier werden weder Düngemittel noch Pestizide verwendet. 

Kannst du uns beschreiben wie sich Ananasleder beispielsweise anfühlt und wie es aussieht? Ist das im Grunde genommen wie Echtleder? 

Das Ananasleder sieht genauso aus wie Leder und fühlt sich auch so an. Es ist das etwas festere und dickere von unseren 3 Lederarten die wir aktuell verwenden. Das Kaktusleder glänzt mehr und hat eine glatte Schicht, wobei das Weintraubenleder, sanft und extrem anschmiegsam ist. Es passt sich in schnellster Zeit perfekt an den Kopf des Pferdes an. 

Ihr habt ja große Pläne und wollt bald auch vegane Reitstiefel rausbringen oder? Wie weit seid ihr in der Entwicklung der veganen Reitstiefel und wann wird es sie voraussichtlich geben? 

Genau, wir sind gerade in der Prototyp Endphase und starten eine kleine Produktion für die ersten Stiefel in den Größen 36-42. Sie werden noch im Dezember auf unserer Website erhältlich sein ☺

Testet ihr die veganen Reitstiefel auch immer selbst? Hast du Pferde

Ja, bei allen Produkte mache ich einen Selbsttest und das über eine lange Zeit. Den Stiefel Prototyp habe ich selbst ausprobiert und konnte somit konstruktives Feedback und Verbesserungswünsche an unseren Produzenten weiterleiten. 

Ja, beide Pferde ‚testen‘ die Halfter seit letztem Jahr. Sie waren ja fast „wild“, da sie die letzten 10 Jahre in Frankreich kaum Menschenkontakt hatten, und haben die Halfter wirklich unter die Probe gestellt. 

Was sind ansonsten noch eure Pläne und Wünsche für die Zukunft? 

Wir haben große Pläne, wollen aber alles langsam und bedacht angehen. Als nächstes bringen wir unsere Stiefel auf den Markt, dann folgen im kommenden Jahr Trensen und Sättel. Am Ende wollen wir eigentlich ein ganzes Sortiment an veganen Reitsportartikeln anbieten. 

 

Wir wünschen Caro und Nafilia viel Erfolg und finden, dass sie ein ganz wichtiges Thema angehen! Wir freuen uns auf jeden Fall schon auf die veganen Reitstiefel! Schaut´ also gerne mal bei ihnen im Shop vorbei: https://nafilia.com/ 

 


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