Die Bindung zum Pferd stärken: Mit dem Pferd „sprechen“

Die Bindung zum Pferd stärken: Mit dem Pferd „sprechen“

Um die Bindung zu deinem Pferd zu stärken, sind Vertrauen und Sicherheit notwendig. Und vor allem musst du das Gespräch aufnehmen und mit dem Pferd „sprechen“.

Die Bindung zum Pferd stärken

„Die Bindung zum Pferd stärken“ bedeutet in erster Linie eine vertrauensvolle Bindung zu deinem Pferd aufzubauen und ihm Sicherheit zu geben. Ohne Vertrauen kann keine echte Partnerschaft zu deinem Pferd entstehen. Dein Pferd kann sich bei dir nicht sicher fühlen.

Doch jeder weiß: Vertrauen kann man nicht erzwingen und auch nicht mit Leckerlies anfüttern. Man kann es sich nur Schritt für Schritt erarbeiten. Dafür ist viel Geduld notwendig, aber es lohnt sich auf jeden Fall.

Pferde zeigen dir ihr Vertrauen z.B., indem sie

  • sich bei dir entspannen können
  • deine Nähe zulassen
  • mit dir gelassen ins Gelände gehen
  • sich entspannt die Hufe auskratzen lassen
  • dir ohne zu zögern in den Hänger folgen
  • dir folgen, wohin du auch gehst

Wie baue ich Vertrauen auf, um die Bindung zu meinem Pferd zu stärken?

  • Begegne deinem Pferd mit einer ruhigen und gelassenen Körpersprache und Stimme. Atme dabei ruhig und entspannt. Sei klar und eindeutig in deiner Kommunikation.
  • Zeige deinem Pferd, dass du ein sicherer Ort bist. Vermittle deinem Pferd durch deine Haltung, dass du weißt, was du tust und dafür sorgen wirst, dass es ihm gut geht. Bewahre Ruhe und zeige deinem Pferd dadurch, dass es keinen Anlass gibt, Angst zu haben oder sich aufzuregen. Sei immer konsequent in deinen Handlungen.
  • Achte dabei auf die Bedürfnisse und den Charakter deines Pferdes.

Denn jedes Pferd hat eine andere Persönlichkeit, eine andere Vergangenheit, einen anderen Rang in der Herde und andere Erlebnisse, die es abgespeichert hat.

  • Zeige deinem Pferd, dass du bereit bist ihm zuzuhören. Verbringe auch einfach mal so Zeit mit deinem Pferd. Beobachte es auf der Koppel, geh mit ihm spazieren oder lass dir Zeit beim Putzen.
  • Sprich mit deinem Pferd.

Mit dem Pferd sprechen

Hier geht es nicht darum, dem Pferd ganz viel zu erzählen, sondern in der Körpersprache und mit den Signalen eines Pferdes zu „sprechen“. Wir können die Bindung zum Pferd stärken, wenn wir bereit sind unserem Pferd zuzuhören, seine Sprache zu erlernen und ihm in seiner Sprache zu antworten – das Gespräch mit ihm aufzunehmen.

Aber wenn du mit deinem Pferd sprechen willst, musst du zunächst seine Sprache verstehen. Das setzt voraus, dass du die Körpersignale der Pferde beobachtest und ihre Körpersprache verstehst. In unserem Blogbeitrag „Mein Pferd richtig verstehen“ (https://hoofment.de/blogs/news/mein-pferd-richtig-verstehen) haben wir dies ausführlich beschrieben. Falls du es nicht schon getan hast, lies doch dort nochmal nach, wenn du mehr über Körpersignale und Körpersprache der Pferde erfahren willst.

In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit dem nächsten Schritt. „Mit dem Pferd sprechen“ bedeutet: Das Gespräch mit dem Pferd aufnehmen, sodass es uns auch versteht. So klar und deutlich wie Pferde sich untereinander verständigen, müssen wir uns auch dem Pferd gegenüber ausdrücken. Wir müssen unsere Körpersprache so benutzen, dass unser Pferd sie versteht.

Wir wissen schon vieles über die Körpersprache unserer Pferde. Aber wie antworten wir ihnen? Mit welchen Signalen „sprechen“ wir mit unserem Pferd?

Sharon Wilsie schlägt in ihrem Buch „Sprachkurs Pferd“ 4 Rituale vor, durch die wir das Gespräch mit unseren Pferden aufnehmen können. Diese 4 Rituale sind wichtige Rituale im Umgang der Pferde untereinander und bieten uns eine Möglichkeit unserem Pferd in seiner Sprache zu antworten, mit unserem Pferd zu sprechen. Daher möchten wir euch diese 4 Rituale im Folgenden gerne vorstellen.

4 Rituale, um mit deinem Pferd zu sprechen:

Sharon Wilsie nennt diese Rituale „die vier G der Pferdesprache“: Greeting (Begrüßung), Going Somewhere (Irgendwohin Gehen), Grooming (Fellpflege) und Gone (Auf und Davon).

  1. Ritual: Die Begrüßung

Eine Begrüßung ist ja etwas Simples, das man jeden Tag macht. In Bezug auf unsere Pferde tritt die Begrüßung leider manchmal in den Hintergrund oder wird nicht mit dem nötigen Respekt durchgeführt. Bedauerlicherweise wissen einige auch nicht, wie sie ein Pferd begrüßen sollen.

Wie begrüßen Pferde sich gegenseitig? Wie begrüßen sie uns? Um das Gespräch mit deinem Pferd zu beginnen und die Bindung zu deinem Pferd zu stärken, ist die Begrüßung ein ganz wichtiges Ritual.

 Nimmt man sich die Zeit, Pferde untereinander zu beobachten, die sich in der Herde oder auch über den Zaun hinweg begrüßen, gibt es Spannendes zu entdecken: Die Begrüßung von Pferden untereinander besteht meist aus drei gegenseitigen Berührungen an der Nase:

- Die erste Berührung:

Eine formelle Begrüßung, um „Hallo“ zu sagen, sich gegenseitig einzuschätzen, mehr übereinander herauszufinden, häufig gefolgt von einer kleinen Bewegung, einer leichten Kopfdrehung in Richtung des anderen Pferdes mit der Frage: „Wenn ich in diese Richtung gehe, folgst du mir dann?“

- Die zweite Berührung:

Nach dem zarten ersten Kontakt eine zweite Berührung der Nasen, verbunden mit einem tiefen Einatmen und kombiniert mit einer Geste, die das andere Pferd nachahmt, als Bestätigung, wer führt und wer folgt.

- Die dritte Berührung:

Die dritte Berührung der Nasen entscheidet über das weitere Geschehen: entweder wird der Kontakt abgebrochen, die Pferde gehen auseinander, vielleicht mit einer Aufforderung zum Wettkampf oder zum Spiel, evtl. sogar mit einem Schleudern der Vorderbeine, einem hohen Quietschen.

Oder: bei entspannten Pferden schließen sich die Rituale Gehen, Fellpflege oder Auf und Davon an. (Diese drei Rituale werden in diesem Beitrag noch ausführlich erklärt.) 

Aber nun zu der entscheidenden Frage: Wie begrüße ich mein Pferd in seiner Sprache? Wie nehme ich das Gespräch mit meinem Pferd respektvoll auf?
Am besten ahmst du das Begrüßungsritual der Pferde nach, indem du deinem Pferd mit der Hand, vorzugsweise mit den Fingerknöcheln (leicht geballte Faust, Knöchel nach oben) „Hallo“ sagst und seine Nase berührst. Dieser behutsamen Berührung folgt eine leichte Seitwärtsdrehung deines Körpers. Wenn das Pferd die Bewegung nachahmt, bietet es mit dieser Bewegung an dir zu folgen.

Bei der ersten Begrüßung musst du genauso achtsam mit dem persönlichen Kreis (der persönlichen Blase, der Individualdistanz) eines Pferdes umgehen, wie du es umgekehrt auch von ihm erwartest. Es ist wichtig, dass du dich dem Pferd vorstellst und es fragst, ob du in seinen persönlichen Kreis eintreten darfst, damit es sich bei deiner Annäherung wohlfühlt. Dies gilt ganz besonders für die Begrüßung von Pferden, die du noch nicht gut kennst. Am besten näherst du dich einem Pferd nicht direkt von vorne, sondern etwas seitlich. Aus einer angemessenen Entfernung streckst du ihm deine Hand entgegen, um die Begrüßung einzuleiten. Reagiert das Pferd auf deine Einladung, indem es einen Schritt auf dich zugeht, deine Hand berührt oder dir ein anderes Willkommensgefühl vermittelt, darfst du seinen persönlichen Kreis betreten und mit der ersten Begrüßung deiner Hand oder deiner Fingerknöchel an seiner Nase beginnen.

Der ersten Berührung folgt dann der zweite Kontakt der Fingerknöchel oder der Hand an der Nase des Pferdes mit der Botschaft „Ich lerne dich kennen“ und einer weiteren leichten Drehung zur Seite. Diese soll die Bereitschaft des Pferdes, dir zu folgen, vertiefen.

Darauf folgt die dritte Berührung an der Nase, bei der du möglichst ruhig und sanft atmest. Mit diesem dritten Kontakt leitest du, wie bei der Begrüßung der Pferde untereinander, die Frage ein: „Was machen wir nun?“. Du kannst jetzt gemeinsam mit dem Pferd „Irgendwohin Gehen“ (siehe 2. Ritual), mit der Fellpflege beginnen, (siehe 3. Ritual) oder ihr könnt euch auch einfach friedlich wieder trennen (siehe 4. Ritual).

Auch ohne das komplette Begrüßungsritual sind Pferde oft schon beeindruckt und heißen dich gern willkommen, wenn du ihnen zum „Hallo“ die Fingerknöchel entgegenstreckst. Führst du das vollständige Ritual mit drei aufeinanderfolgenden Berührungen durch, kannst du so noch einen intensiveren Austausch erleben, der euer gegenseitiges Vertrauen weiter vertieft. Es lohnt sich auf jeden Fall dies einmal in Ruhe auszuprobieren.

Aber Vorsicht: In der Herde beginnt und beendet das ranghöhere Pferd die Begrüßung. Wenn dein Pferd dich also nicht nur vorsichtig beschnuppert und berührt, sondern dich mit seiner Nase deutlich schiebt, zur Seite schubst oder sogar mit seiner Schulter wegschiebt, fehlt es an Respekt und dein Pferd will die Chef-Rolle übernehmen.

   2. Ritual: Irgendwohin Gehen

Wenn du Pferde auf der Koppel in Ruhe beobachtest, wirst du sicherlich feststellen, wer der Herdenchef ist und an welcher Stelle der Rangfolge die übrigen Pferde stehen. Dies erkennst du schnell an dem „Wer bewegt wen-Prinzip“. D.h. der Ranghöhere verschafft sich Platz und der Randniedrigere weicht aus. Daher ist es wichtig für ein gegenseitiges Gefühl des Vertrauens zwischen dir und deinem Pferd festzulegen, wer führt und wer folgt. Hier Klarheit zu schaffen ist eigentlich nicht schwer und kann leicht umgesetzt werden:

Der erste Schritt: Das Pferd wird aufgefordert zu gehen.

Dafür berührst du dein Pferd seitlich am Gesicht (an der oberen Pferdeganasche, unterhalb des Auges) oder deutest zumindest dorthin. Sharon Wilsie nennt diesen Punkt den „Geh-weg-Gesichts-Button“. Wenn Pferde sich an diesem Punkt anstupsen oder darauf deuten, fordern sie den anderen dazu auf, das Gesicht aus ihrem persönlichen Raum zu nehmen. Das Pferd muss nicht ganz weggehen. Ein Pferd merkt schon, dass es respektiert wird, wenn der andere den Kopf abwendet und so genug Raum gibt. Dieses Verhalten kannst du z.B. beobachten, wenn Pferde nebeneinander angebunden sind oder wenn sie nebeneinander an einer Wassertränke oder einem Heuhaufen stehen.

Drückst du also mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Geh-weg-Gesichts-Button oder zeigst darauf und das Pferd wendet den Kopf zur Seite, gibt es dir damit respektvoll genug persönlichen Raum.

Du kannst dein Pferd zusätzlich auch auffordern seine Vorderbeine zur Seite zu bewegen. Dabei stellst du dich in Höhe des Pferdehalses mit dem Gesicht zum Pferd auf. Dann bittest du es die Vorhand zur Seite zu bewegen, indem du es mit dem Finger am Mittelhals oder an der Schulter berührst oder darauf deutest. Wenn dein Pferd sich zur Seite bewegt, den Kopf senkt und tiefer atmet, weißt du, dass es dich verstanden hat und hast dir seinen Respekt erarbeitet.


Im nächsten Schritt kannst du mit deinem Pferd „Irgendwohin Gehen“. Um sich gemeinsam vorwärts zu bewegen, müssen Rollen verteilt werden: Wer führt und wer folgt?

Führe dafür dein Pferd am Halfter und versuche dich mit entspannter Körperhaltung dem Rhythmus der Vorderbeine deines Pferdes anzupassen.
Bringe dafür deine Schulter in eine Linie mit der Schulter deines Pferdes.

Wenn ihr so im Gleichschritt seid, kannst du deinen Rhythmus ändern und dein Pferd damit bitten, sich nun an dich anzupassen. Dein Pferd wird sich instinktiv an deine Geschwindigkeit und deine Schrittlänge angleichen. Natürlich kannst du zusätzlich auch noch Seitwärtsbewegungen hinzufügen. Diese Übung kannst du mit Halfter und Führstrick, mit einem Halsring oder auch ohne beides durchführen. Natürlich kannst du dies erweitern durch verschiedene andere Übungen: Stampfen mit den Beinen zum Stehen, nur einen Schritt zur Seite, Überkreuzen der Füße, Gehen über Hindernisse und Bodenstangen usw.

Durch solche Übungen – Gesprächen zwischen dir und deinem Pferd, bei dem du dich eindeutig, ruhig und verantwortungsbewusst zeigst - wird das Vertrauen deines Pferdes vertieft und die Bindung zu deinem Pferd gestärkt.

      3. Ritual: Die Fellpflege

Pferde drücken ihre Verbundenheit untereinander durch gegenseitige Fellpflege aus. Das gegenseitige Kraulen und Kratzen ist immer ein gegenseitiges Geben und Nehmen, d.h. zwei Pferde kratzen sich symmetrisch am Rücken und am Widerrist. Daher ist es verständlich, dass dein Pferd, wenn du es striegelst, dieses bei dir erwidern möchte und versucht dich zu kraulen oder zu beknabbern. Sollte dies zu heftig werden, solltest du wieder mehr persönlichen Raum fordern, indem du dein Pferd leicht an seinem Geh-weg-Gesichts-Button berührst.

Beginne deine Fellpflege damit, dein Pferd am Hals oder am Widerrist zu berühren, wie Pferde es untereinander auch tun würden. Danach kannst du dein Pferd entweder weiter kraulen und streicheln, den Schmutz abbürsten oder sein Winterfell rausstriegeln. Je nachdem, was gerade passt oder ansteht.

Fellpflege bedeutet wieder den Raum zu teilen. Dein Pferd muss also der Fellpflege zustimmen. Wenn dein Pferd es liebt geputzt zu werden und in dieser Zeit den Raum mit dir zu teilen, ermöglicht euch diese Zeit ein inniges Zusammensein, das die Bindung zu deinem Pferd stärkt.

Mag dein Pferd Berührungen oder Fellpflege nicht so gern und spannt sich an oder zappelt herum, könntest du Folgendes versuchen:

- klopfe dein Pferd zunächst mit gewölbter Hand am Hals ab

- atme entspannt und ruhig

- stell dich in einen 45-Grad-Winkel zum Pferd, oder anders ausgedrückt: richte den Bauchnabel weg vom Pferd, um Druck wegzunehmen, denn wenn du den Bauchnabel zum Pferd drehst, ist dies eine Geh-Weg-Botschaft für dein Pferd.

     4. Ritual: Auf und Davon

Auf und Davon bedeutet für Pferde: „Das ist für mich erledigt“, „Mit dir bin ich jetzt fertig“ oder kurz gesagt: ein einfaches „Nein!“. Das Pferd möchte raus aus einem Gespräch. Diese Botschaft übermittelt das Pferd durch ein kräftiges Schweifschlagen in Richtung eines anderen Pferdes oder eines Menschen - häufig kombiniert mit angelegten Ohren. Anschließend dreht es sich weg oder läuft in eine andere Richtung, ist „Auf und Davon“. Es ist wichtig, das „Nein“ deines Pferdes zu beachten.

Hier bedeutet „mit dem Pferd sprechen“, dass du deinem Pferd in seiner Sprache verständlich machen möchtest, dass etwas erledigt ist, dass ein Gespräch für dich beendet ist. Du kannst versuchen seine Schweifbewegung nachzuahmen: Schwinge deinen Arm mitsamt der Hand abrupt einmal über deinen Rücken oder deinen Oberschenkel als ob du eine Fliege verscheuchen möchtest. So kannst du deinem Pferd verständlich machen, dass etwas erledigt ist und es wegschicken. Probiere das Wischen mit den Händen ruhig mal aus. Vielleicht antwortet dein Pferd dir mit einem kräftigen Schweifwischen und ihr geht friedlich auseinander.

Diese 4 Rituale bieten dir die Möglichkeit mit deinem Pferd zu sprechen, und zwar mit einer Körpersprache und Signalen, die dein Pferd hoffentlich versteht. Mit viel Ruhe und Geduld kannst du dadurch die Bindung zu deinem Pferd stärken, mehr Vertrauen und Respekt aufbauen. Natürlich gibt es noch zahlreiche andere Möglichkeiten mit deinem Pferd zu sprechen, ihm in seiner Sprache zu antworten. Wahrscheinlich hast du bewusst (oder auch ganz unbewusst und intuitiv) schon einige Rituale eingeführt, um mit deinem Pferd zu kommunizieren.

Literaturempfehlungen:

- Mark Lubetzki, Im Gespräch mit wilden Pferden, Kosmos Verlag, 2022

- Sharon Wilsie & Gretchen Vogel, Sprachkurs Pferd, Kosmos Verlag, 2018

 


1 Kommentar


  • Katharina

    Wow. Wie schön ihr das beschrieben habt. Ich bin großer Wilsie Fan. Danke dass ihr hier aufzeigt wie Verbindung und Vertrauen entstehen kann.


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